Die Möglichkeiten werden am Beispiel
einer einsamen Insel mit etwa 1.000 Einwohnern erklärt.
Dort herrscht Frieden, alle haben Arbeit und ihr Auskommen.
Die Nahrung wird von den Bauern erstellt, ohne große maschinelle
Hilfe. Jeder Bauer ernährt zehn Menschen. Autos gibt es, wobei
für den Bau eines Fahrzeugs 20 Arbeiter mit jeweils 100 Stunden
nötig sind. Die Verwaltung muss ohne EDV mit Stift und Papier die
nötigen Aufgaben erfüllen, z. B. die Organisation der
Wasserversorgung, des Straßenbaus, der Gesundheitsversorgung, der
Sicherheit.
Es gibt die gleiche Anzahl junger Menschen, die in das
Arbeitsleben eintreten, wie Neurentner. Die Zahl hält sich
konstant. Die Menschen sind glücklich, auf jeden Fall zufrieden.
Der Verdienst richtet sich nach der Leistung.
Viele Probleme, die sich im Laufe der Zeit bei uns entwickelten, sind
zurückzuführen auf eine mangelnde Anpassung an die
Technisierung.
Betrachten wir einige Details. Wenn in unserer Welt Maschinen einen
Teil der Arbeit übernehmen, ernährt ein Bauer nun nicht mehr
zehn, sondern 100 Personen. Für den Bau eines Autos reichen jetzt
zwei Mitarbeiter und nicht 20. Die Verwaltung überlässt das
Rechnen und die Planung weitgehend dem PC.
Menschliche Arbeit wird teilweise überflüssig.
Solche Veränderungen gehen bei uns schleichend vonstatten und
gehen leicht in der Masse unter. In einem überschaubaren
Gemeinwesen nicht.
Wenn Arbeitsplätze
zugunsten von Maschinen gestrichen werden, entsteht Arbeitslosigkeit.
Zur Finanzierung werden auch auf der Insel im ersten Anlauf
Sozialbeiträge von denjenigen erhoben, die Arbeit haben.
Dagegen haben die Insulaner aber etwas einzuwenden. Sie
denken nach und erkennen, dass die Maschinen einen Teil der Arbeit tun
und auch Lohn erhalten müssten. Folgerichtig beschließen sie
nun, dass diese ihren Anteil am Lohn erhalten sollen und nennen das
Maschinensteuer (H. Rhode 1978). Diese soll in Höhe der
Sozialabgaben entrichtet werden, die die zuvor Entlassenen entrichtet
haben.
Durch den Rentenanteil der zusätzlichen Sozialabgaben
bleiben die Renten
gesichert.
Der Arbeitslosenbeitrag könnte in Form von
Arbeitslosengeld für die Entlassenen ausgegeben werden. Dann
würden die einen schuften, während die anderen mehr Freizeit
genießen könnten. Weil jeder jeden kennt, fällt das
unangenehm auf.
Aus dem Grund beschließt man auf der Insel, das Arbeitslosengeld
nicht fürs Nichtstun, sondern für neue und innovative
Arbeitsplätze auszugeben.
So bekommen die Arbeitslosen ihren angemessenen
Platz in der Gesellschaft zurück. Die Würde der Menschen
bleibt erhalten, jeder nimmt auf seinem Platz eine wichtige Stellung
ein.
Und wie sieht es bei uns aus? Nun, hier fordern die Erwerbstätigen
den Vorteil einer durch Maschinen verbesserten Produktivität
für sich und wollen mehr Geld. Das ist die Realität und das
ist auch verständlich. Gerecht ist es nicht, weil sehr viele
Menschen keine entsprechenden Forderungen stellen können.
Auf der Insel jedoch verfügen sie jetzt durch
die Arbeit der „eigentlich“ Arbeitslosen über eine verbesserte
Kinderfürsorge, bessere Schulen und kulturelle Einrichtungen, eine
optimale Versorgung im Alter und bei Krankheit. Die Liste erfordert
Fantasie und Kreativität und kann für jeden etwas Passendes
bereithalten. Es gibt viele Möglichkeiten.
Das wird verinnerlicht und akzeptiert. Man ist zufrieden.
Im Millionenheer unseres Staates gehen diese Chancen unter. Auf unserer
Insel sieht das anders aus. Wenn doch, müsste das Staatsoberhaupt
der Insel – dort ginge es! – nur für eine Woche die Neuerungen
aussetzen und die Technisierung rückgängig machen. Die
regulär Erwerbstätigen würden ganz überrascht sein,
denn sie hätten plötzlich wieder mehr Geld, aber mehr zu tun
und viel weniger Möglichkeiten, ihr Leben zu leben. Auf der Insel
erkennt man sehr schnell, dass Gemeinsinn keine nette Geste
darstellt, sondern eine Notwendigkeit. Reduzieren wir die Zahl der
Menschen auf der Insel auf zehn, ist die Notwendigkeit,
füreinander da zu sein, noch offenkundiger.
Lutz Osterwald, im
Januar 2011
In Anlehnung an mein Buch
"Tabubruch- Visionen für mehr Miteinander"